Freitag, 30. April 2010

Kirche in Atlantida von Eladio Dieste


Auf unserem Tagesausflug entlang der uruguayanischen Küste kamen wir an Atlantida vorbei, einem Ferienort, in dem es eine Kirche von Eladio Dieste (1917-2000), dem Architekten und Ingenieur aus Uruguay, geben sollte. Und siehe da, sogar die Würstchenbudenverkäuferin kannte Dieste und die Kirche und konnte perfekt den Weg beschreiben.
Die Kirche wurde 1952 gebaut. Sie ist damit im Werk Diestes wegweisend auf seiner Suche nach Symbiose von Gestalt, Material und Konstruktion. Die Kirche ist ein Exempel dafür, wie man die Grenzen des Materials Ziegelstein ausloten kann zugunsten einer intelligenten Konstruktion, die darüber hinaus in ihrer Erscheinung eine sehr schöne Interpretation der Bauaufgabe einer Kirche darstellt.
In den meisten Fällen wurde handelsüblicher Ziegel eingesetzt und Maurer der Region kamen zum Einsatz. Speziell in Form gesägte Steine sieht man zum Beispiel an der Luke in der Seitenwand, die eine Christusfigur in einer Seitenkapelle ausleuchtet.
Die Seitenwände der Kirche nehmen das Thema der üblichen gerundeten Seitenkapellen auf und setzen es modern um. Am Boden eine gerade Wand, entwickeln sie sich in die Höhe zu einer Welle, die das Mauerwerk materialsparend aussteift und sie als Bauteil unabhängig werden lässt. Das gleiche Prinzip wird bei der Decke eingesetzt, hier als gleichmässige Welle, die das Kirchenschiff in massstäbliche Joche einteilt. Die Eingangswand und die Rückwand hinter dem Altar werden folgerichtig von den Seitenwänden durch eine lichtdurchlässige Fuge abgelöst und können jeweils für sich eine eigenständige Rolle übernehmen. Die Westwand leitet vom Vorplatz mit einer schönen Eingangsgeste in das Gebäude und leitet über einen dreiteiligen gegenläufigen Fächer mit Alabasterfenstern Tageslicht in das Innere und auf die Empore. Die Ziegelsteine in der oberen Hälfte der geraden Altarrückwand werden senkrecht gestellt und um 45° in den Raum gedreht, was eine sehr schöne Oberflächenstruktur und ein Licht- und Schattenspiel zur Folge hat. Ausserdem verdeutlicht dies, dass die Vorder- und Rückwand statisch keine Rolle für die Konstruktion des Gebäudes spielen. Die wellenförmigen Seitenwände sind unabhängig, denn die Querwände bilden keine Kiste mit ihnen, sie stehen nur an einer Stelle gerade so, dass ein abgeschlossener Innenraum für die Gemeinde entsteht. 
Speziell der Ablauf der Taufzeremonie ist schön inszeniert, gut zu sehen im Längsschnitt: über einen separaten Eingang gelangt der Täufling in einen Raum unter dem Vorplatz, noch ausserhalb der Kirche. Das Taufbecken wird erhellt über ein rundes Oberlicht. Nach der Taufe führt eine Treppe in den Hauptraum der Kirche, als neues Mitglied betritt der Getaufte somit die Kirche.


1 Kommentar:

  1. Eine interessante Kirche - und obwohl man
    vermuten könnte, daß "alles in Backstein =
    langweilig" sein muß, ist hier das Gegenteil
    bewiesen. So könnte sie auch in unseren norddeutschen Regionen gebaut sein.
    Ein positives Anschauungsmaterial für deutsche
    Architekten und Studenten.
    Kommt noch mehr von Montevideo ?
    Liebe Grüße- und in Erwartung Eurer Rückreise -
    Ma

    AntwortenLöschen