Freitag, 26. März 2010

Zu Besuch bei den Inka



Vom Titicacasee aus sind wir entlang einer saftig grünen und intensiv kultivierten Landschaft mit schönen Bauernhöfen Richtung Cusco gefahren. Auf dem Weg hielten wir an den ersten Inkaruinen, den Grabtürmen von Sillustani und dem Tempel in Raqchi, beide Orte gehen allerdings auf Präinkakulturen zurück.

Cusco hat uns sehr beeindruckt, einerseits die noch deutlich sichtbaren Spuren der einstigen Inka-Hauptstadt und andererseits das heutige quirlige und kultivierte Flair. Das wurde allerdings begünstigt durch den Mangel an den normalerweise hier anwesenden Touristenmassen, die sonst nach Machu Picchu stürmen. Diese Hauptattraktion bleibt uns verwehrt, bis zum 1. April ist sie geschlossen, da die Unwetter die Bahnstrecke zerstört haben. Hundertmal haben wir uns überall durchgefragt, aber alle Schleichwege, die wir probiert haben, führen zu nix. Kein Inka-Trail, keine funktionierende Strassenverbindung nach Santa Teresa. Dabei sind die Orte hier gar nicht weit voneinander entfernt, aber durch die stark zerklüftete Landschaft mit tiefen Tälern und riesigen Bergen können 45km Luftlinie 12h Autofahrt bedeuten. Das schenken wir uns  - und so haben wir wenigstens einen triftigen Grund, irgendwann noch ein zweites Mal das schöne Peru zu bereisen.

In Cusco waren gerade die sterblichen Überreste des Salesianer-Gründers Don Bosco zu Gast, die derzeit auf Südamerika-Tournee sind und hier ein grosses Theaterspektakel vor der Kathedrale verursacht haben. Der Inka-König höchstpersönlich liess es sich nicht nehmen, Don Bosco willkommen zu heissen.

Untergebracht waren wir hoch oben auf dem Campingplatz Quinta Lala (http://home.hccnet.nl/helmie.paulissen/), der von dem Holländer Helmie und seiner Frau Gonna noch bis Juli geführt wird, bevor die beiden nach Guatemala abdampfen. Hoffentlich bleibt die Möglichkeit bestehen, dass Reisende wie wir dort sicher und gemütlich inmitten von Hühnern und Rasen mähenden Lamas stehen können.

Um die Ecke liegt die Festung Saqsaywaman (im Touri-Sprachgebrauch „sexy woman“...), die über der Stadt thront. Faszinierend, wie die Inka die Steine derart behauen haben, dass sie ohne Mörtelfuge haarscharf ineinander passen. Das hat auch einen konstruktiven Grund: die so ineinander verzahnten Mauersteine stehen erdbebensicher. Aber wie haben sie diese Riesen überhaupt hierher bewegt, ohne das Rad zu kennen?

Der ästhetische Reiz der Inka-Architekturen ist aus heutiger Sicht enorm: präzise und einfach. Dies ist deutlich zu sehen bei einem wichtigen Tempel, dessen Mauern im Kloster Santo Domingo eher zufällig nach einem Erdbeben wieder unter vielen christlichen Putzschichten freigelegt worden sind. Alle Wände, Öffnungen und Nischen sind im selben Winkel geneigt, was wiederum die Stabilität erhöht, aber die resultierenden schlichten Proportionen strahlen Macht und Würde aus.

Der Inka-Kultur, die nur 100 Jahre währte und während ihrer grössten Machtausdehnung einfach von den Spaniern übertölpelt wurde, wollten wir weiter nachgehen und besuchten weitere Stätten im Heiligen Tal, dem valle sagrado.
Von Cusco aus haben wir zuerst den traditionellen Markt in Chinchero besucht, mittlerweile auch auf Touristen zugeschnitten, aber uns gelang es, inmitten der Quechua-Frauen zünftig Mittag zu essen. Anschliessend besuchten wir die perfekt in eine Talsenke integrierten Terrassen von Moray, angeblich ein landwirtschaftliches Laboratorium, in dem ausprobiert worden sein soll, auf welchen Höhen welche Pflanzen am besten gedeihen. Wir haben den Eindruck, Archäologen brauchen viel Phantasie und viele einsame Abende, um auf solche Ideen zu kommen. Die Anlage eignet sich viel eher als Versammlungs- und Veranstaltungsort als für Maisterrassen. Wer will denn bitte die Ernte so umständlich über die vielen Stufen ohne Rampen nach oben gebracht haben? Warum legt man so schön gekurvte Ebenen mit einer so prächtigen Kulisse nur für Landwirtschaft an?

In Ollantaytambo liegt eine weitere in den Fels integrierte Anlage, an der man sehr schön die verschiedenen Stadien der nach oben hin immer monumentaler werdenden Mauerwerkskunst bestaunen kann. Hier haben wir allerdings einen miserablen Stellplatz erwischt, einen Hinterhof, auf dem uns zwei Köter in der Nacht so lange beschallt haben, bis wir ihnen entnervt zwei Valium in Mortadella verpackt nach draussen geworfen haben - nach einer halben Stunde war Ruhe im Karton.
Am nächsten Morgen stellten wir dann vor der Ruine fest, dass wir einen veritablen Platten hatten. Umringt von deutschen Touris konnten wir dann endlich einmal einen Reifen wechseln.

Eigentlich könnte man eine schöne Rundtour um Cusco machen, leider haben die überall sichtbaren Auswirkungen der heftigen Regenfälle bei Pisaq die Brücke über den Urubamba zerstört, so dass man den ganzen Weg wieder zurück fahren muss. Pisaq hat sich aber trotzdem sehr gelohnt, wieder eine Anlage in irrwitziger Höhe mit einer tollen Aussicht in die umgebenden Täler.

Zurück in Cusco haben wir noch einmal auf dem Camping übernachtet und die Vorzüge der peruanischen Küche genossen, bevor wir uns auf den Weg nach Nasca gemacht haben. Die Strecke Cusco-Nasca sieht auf der Karte so harmlos aus, aber wir waren gewarnt worden, zwei Tage soll man für die 650km brauchen.
Die ersten km gestalteten sich bereits sehr mühsam, da wegen Bauarbeiten die Strasse teilweise für mehrere Stunden gesperrt wurde, und man auf der übrigen Serpentinenpiste auch nicht so richtig Gas geben konnte. Nach 6 Stunden bzw. 130 km erreichten wir das für den Anisanbau und vor allem für sein Krankenhaus Diospi Suyana bekannte Bergdorf Curahuasi. Hier hat ein deutsches Ärzteehepaar es durch ihren Glauben, ihre Überzeugungskraft, unzählige Spenden und helfenden Händen geschafft, dieses Krankenhaus für die sehr armen Bewohner der Berge und Nachkommen der Inka zu bauen. Noch am Abend trafen wir Herrn Dr. Klaus-Dieter John, der uns erlaubte, auf dem Parkplatz vor dem Spital zu übernachten. 

Das Krankenhaus wurde 2007 eröffnet und ist inzwischen so populär, dass sich bereits am Abend Leute vor das Wärterhaus legen, nur um am nächsten Tag in der Ambulanz einen Termin zu bekommen. Um 4 Uhr nachts war es mit der Nachtruhe vorbei, da sich inzwischen so viele Menschen eingefunden hatten, dass um unser Auto ein allgemeines Gemurmel und Gelache zu hören war. 
Am nächsten Morgen startete der Klinikalltag um 8:30 Uhr erst einmal mit einem kurzen Gottesdienst in der zentralen Kapelle. Die Halle war komplett gefüllt, und es wurde sogar eine Patientin mit ihrem Bett zur Andacht gebracht. 
Danach organisierte Frau Dr. John für uns eine Führung durch Herrn Udo Klemenz. Herr Klemenz hatte über 2 Jahre unentgeltlich nach seiner Pensionierung den Bau des Spitals als Bauleiter geleitet und ist aktuell wegen des Neubaus der Zahnklinik und der Augenarztpraxis vor Ort. Es war wirklich sehr nett, wie viel Zeit er sich für unsere Führung genommen hat. Die vielen deutschen Mitarbeiter werden durch ihre meist evangelischen Heimatgemeinden und Freunde über das deutsche Missionarswerk bezahlt.

Wir waren sehr beeindruckt, wie allein durch Spenden ein so grosses Spital mit solch einer guten Ausstattung auf die Beine gestellt werden konnte. Es beeindruckte uns auch, wie auf die hiesigen Menschen und ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Eine einfache Konsultation kostet 4 Sol (1 Euro) und bei zusätzlichen Untersuchungen bzw. Eingriffen entscheidet der Sozialdienst, der übrigens auch gleichzeitig Spitalpfarrer ist, wieviel der Patient selber zahlen kann. Es versteht sich von selbst, dass dieses Krankenhaus weiterhin auf Spenden und freiwillige Arbeit angewiesen ist. Da uns das Haus so gut gefallen hat, können wir uns es sehr gut vorstellen, dieses Projekt auch nach unserer Rückkehr nach Hause zu unterstützen, und vielleicht habt Ihr auch Lust, etwas für dieses Krankenhaus zu tun (www.diospi-suyana.org). 

Mittwoch, 17. März 2010

Am Titicacasee



Von La Paz aus wollten wir nach Copacabana am Titicacasee, dem Namensgeber für den Strand in Rio. Dafür muss man lediglich die richtige Ausfahrt aus El Alto erwischen, der mittlerweile von La Paz unabhängigen Stadt am oberen Rand des Talkessels. Kein Schild, totale Verstopfung mit Minibussen und ein Stadtfest mit Schnapsleichen auf der Ausfallstrasse. Kreuzung verpasst, und schon standen wir vor der Mautstelle, ab der man nonstop wieder 1000 Höhenmeter talabwärts nach La Paz runterbremsen kann. Marke zahnloser verhandlungsresistenter Polizist hat ein Wenden verhindert, und schon durften wir statt aus dem Moloch raus wieder mitten rein fahren. Das war der Tropfen, der uns das bolivianische Fass zum Überlaufen brachte. Runter, wenden, wieder rauf, dem Polizisten bei Vollgas das Ohr vollgeschrien und ab dafür, natürlich nicht ohne ein paar Kilometer weiter zum Abschied von einem auf der Strasse Torkelnden als Hurensöhne betitelt zu werden. 

Im Dunkeln in einem wackeligen Ponton haben wir dann zum nächtlichen Abzocketarif die Engstelle am Titicacasee passiert. Nach läppischen sechs Stunden hatten wir dann die Strecke von kaum mehr als 100km nach Copacabana geschafft. Dort kann man sich im sehr schönen Hostal La Cupula prima in den Hof stellen, man muss nur die total erodierte steile Strasse queren können, um dahin zu kommen. Die Regenzeit hat hier ihre Spuren hinterlassen.
Der Ort hat allerdings, wie man auf dem Bild sieht, mit dem berühmten Namenserben in Brasilien nun überhaupt nichts zu tun, so dass es uns nicht schwer fiel, am nächsten Tag zur nahen Grenze nach Peru zu fahren. Bisher war das Problem ja nicht die Ausreise aus den jeweiligen Ländern, sondern die Einreise. Klar, dass Bolivien hier die Ausnahme ist und uns ein abermals zahnloser Grenzpolizist in höchst unverständlichen Tönen versucht hat, Steine in den Weg zu legen. Zusammen mit seinem Kollegen vom Zoll wollten sie uns noch als Journalisten bezichtigen, weil wir ja Laptop und Kamera dabei haben. Und weil er unsere Daten handschriftlich in seine Kladde eintragen musste, wollte er dann noch fünf Bolivianos von uns haben, schliesslich sei seine Kladde voll, und er müsste bald eine neue kaufen. Abermals ist mir die Hutschnur geplatzt, und wir haben ihn so lange gelöchert, wo denn das bitte steht, dass man bei Ausreise noch Gebühren bezahlen soll. Und gar nicht glauben konnte er dann, dass wir auch bei seinem Kollegen vom Zoll nichts bezahlen mussten. Rat an alle Reisenden: an Grenzen und Mautstellen sind wir häufig von Polizisten aufgefordert worden, was zu bezahlen – reine Bestechungsversuche, niemals darauf einlassen!
Sorry für die abermalige Ausführlichkeit – reine Psychohygiene.
Fazit zu Bolivien:
Dieses sehr arme Land ist in seiner Geschichte immer auf der Verliererseite gewesen. Erst wurde es von den Spaniern ausgebeutet, und dann hat es alle angezettelten Kriege mit den Nachbarn Chile und Paraguay verloren, so dass ein grosser Teil des Territoriums verloren ging und zusätzlich der Zugang zum Meer. Ziemlich isoliert und von aussen fast bemitleidet liegt es nun eingeschnappt und frustriert in der Mitte von Südamerika. Leider hat es keine Regierung bisher geschafft, dem Volk Selbstbewusstsein einzuhauchen und Bildung und Kultur zu verinnerlichen. Stattdessen haben viele (weisse) Präsidenten ordentlich in die eigene Tasche gewirtschaftet, so dass die Korruption allenthalben nicht verwundert.  Vielleicht ändert sich das nun mit dem erstmals indigenen Präsidenten Evo Morales, der den Indigenen viel zugesteht, dabei sollte er allerdings den Graben zwischen den Weissen und Indigenen, bzw. dem Tief- und dem Hochland nicht noch tiefer werden lassen.
Dass wir ein armes Land bereisen würden, dass bei einer hohen Analphabetenrate nicht sehr gebildet ist, darauf waren wir vorbereitet. Dass aber gerade wir, die wir Geld hierher bringen und Interesse am Land zeigen, so unwillkommen sind, hat uns negativ überrascht. Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen keine Allgemeingültigkeit haben, und andere Reisende aus diesem Land positive Erinnerungen mitnehmen.
Ein paar Meter weiter an der peruanischen Grenzkontrolle wurde es dann schon fast lustig: Ein kleiner indigener Adjutant warnt uns schnell vor seinem grossen Chef Luis, wir sollten auf keinen Fall erwähnen, dass wir nochkeinekfzversicherungfürperuhaben, und auch auf gar keinen Fall sollte ans Licht kommen, dasswirnichteigentümerdesautos, sondernnurautorisiertsind (seit dem Journalistenvorwurf leide ich unter Verfolgungswahn, daher die übersetzungsresistente Verklausulierung). Andernfalls hätten wir hier nicht einreisen können. Die Konsequenz wollten wir uns erst gar nicht ausmalen, und so hat er uns still und leise alle Papiere erledigt, während Luis uns von den Vorzügen Deutschlands erzählte und  sich noch ein Erinnerungsfoto mit uns machen liess.

Nun sind wir in Puno auf der peruanischen Seite des Titicacasees, empfehlenswerter Stellplatz: beim Hotel Sonesta Posada del Inca, etwas ausserhalb, direkt am See beim Museumsschiff.  Heute haben wir uns noch die schwimmenden Inseln angeschaut, auf denen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch die letzten Uros gelebt haben. Mittlerweile besucht man hier ein Freilichtmuseum, in dem aber die Bräuche und Traditionen aufrechterhalten werden, darunter die handwerklichen Fähigkeiten, aus dem hier wachsenden Schilf totora alles herstellen zu können, von der schwimmenden Insel über Boote bis zu allen Alltagsgegenständen. Die Nachfahren der Uros leben nun vom Tourismus und ein wenig vom Fischfang im See.

In dem Bootsausflug war auch ein Abstecher zur Insel Tikali enthalten. Hier kann man noch sehr eindrucksvoll die mühsame und kleinteilige Bewirtschaftung der aufwändig terrassierten Berghänge anschauen.

Insgesamt haben wir bisher den Eindruck, dass Peru zwar auch ein sehr armes Land ist, aber die Einwohner sehr viel aufgeschlossener uns gegenüber sind. Der Tourismus ist hier mit den berühmten Sehenswürdigkeiten von Machu Picchu, Cusco und Nazca sicher weiter entwickelt.  Wir sehen auch mal lachende Menschen auf der Strasse und werden freundlich zurück gegrüsst, beides hatten wir in den zwei Wochen Bolivien vorher nie erlebt.
Morgen geht es weiter nach Cusco, wir hoffen, dass die schlimmen Unwetter von El niño, die dort gewütet haben, nun vorbei sind.

Sonntag, 14. März 2010

Mit dem Rucksack zu den Lagunen



Von Potosi aus haben wir eine Dreitagestour nach Uyuni zum Salar und zu den in allen Reiseführern zum Pflichtprogramm erkorenen Lagunen im Südwesten gebucht, angeblich mit allen anfallenden Kosten und Verpflegung inbegriffen. Mit dem eigenen Auto hatten wir ja bereits – im Nachhinein Gott sei Dank – von der chilenischen Seite die Lagunenstrasse nicht befahren, und die Strecke Potosi-Uyuni ist eine im Ausbau begriffene Rüttelpiste. Also blieb das Büssli in Potosi, und wir stiegen als Backpacker in den nach Schweiss und Koka stinkenden Hühnerbus, der Busfahrerstreik war mittlerweile beendet und durch einen Universitätsstreik abgelöst worden. Auf der sechsstündigen Fahrt hatten wir bereits die erste Reifenpanne.
Wie schlecht die Tour von der Agentur in Potosi organisiert worden war, bemerkten wir bereits abends bei Ankunft in Uyuni. Falsch markierter Ort des Hostals auf der Karte und niemand aufzufinden, der das Hostal überhaupt kennt. Die Herberge ist dann eher ein Rohbau mit ausgelegten Teppichresten gewesen, für die wir nach feinster Rucksackreisenden-Abzocke einen (für Bolivien horrenden) Aufpreis für ein privates Bad bezahlt hatten. Das winzige Kaff, das ehemals ein Eisenbahnknotenpunkt zwischen Chile, Argentinien und Bolivien gewesen ist, lebt heute nur noch von Tourismus. Das funktioniert, trotz der enormen Abgelegenheit scheinen die meisten Reisenden sich diesen Programmpunkt nicht entgehen lassen zu wollen, ca. 300 Tour-Jeeps durchpflügen den äussersten Südwesten Boliviens. Wie beliebt man als Tourist hier ist, hatten wir ja bereits kurz nach der Einreise nach Bolivien erlebt, als uns eine glühende Che Guevara-Verehrerin auf ihrem Motorrad mit einem Stinkefinger begrüsste. Hier in Uyuni wurde es noch eine Ecke persönlicher, als ein kleiner Junge Angela stolz vor die Füsse spuckt und die ganze Familie breit dazu grinst. Bereits da hatten wir gar nicht mehr so grosse Lust auf die Tour.

Nach einer winzigen Verzögerung von ca. 2h ging es dann am nächsten Tag Richtung Salar. Eng gequetscht in einem Toyota Landcruiser fuhren wir los mit Fahrer, gleichzeitig Guide, aber ohne angekündigter Köchin und mit vier argentinischen chicas, die uns mit ihrer Lebensfreude den Trip überhaupt haben überleben lassen.
Der Salar de Uyuni ist zusammen mit den Lagunen und auch dem Titicacasee das Überbleibsel eines riesigen Binnenmeeres, das es hier einmal gegeben hat. Mit Auffaltung der Kordilleren ist das Wasser abgetrocknet und hat das grösste Salzvorkommen auf der Erde hinterlassen. Hier liegen auch enorme Lithiumvorräte, die man nun durch den steigenden Bedarf an wiederaufladbaren Batterien beginnt abzubauen, fernab der Touristenaugen natürlich. Durch die Regenzeit ist der Salar derzeit bis zu einem halben Meter tief geflutet, die Jeeps fahren aber im Schritttempo durch bis zu ein paar aus Salzquadern gebauten Baracken, hier euphemistisch „Salzhotels“ genannt.

Der Reiz am gefluteten Salar liegt neben seiner schier unbegreiflichen Grösse an den Spiegelungen im Wasser, die den Horizont verschwinden lassen. Zu den im Programm angekündigten kakteenbewachsenen Inseln, von denen man einen grösseren Überblick hätte haben können, kann man derzeit wegen der Wassertiefe leider nicht gelangen.
So steht an diesem ersten Tag nichts weiteres auf dem Programm, als bis zum Refugio zu gelangen, einer Herberge in einer noch weitaus desolateren Siedlung. Hier durften wir für das Duschrinnsal einen Aufpreis zahlen, und der Fahrer hat dann für den nächsten Tag eine der Töchter der Herbergsfamilie spontan als Köchin engagiert, die – um für die Essenszubereitung immer genügend ausgeruht zu sein – natürlich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen durfte, während wir dummen zahlenden Touristen uns jeweils zu dritt auf die hinteren Bänke quetschen konnten.
Am zweiten Tag sollte es zu den Lagunen gehen, der Laguna colorada und der Laguna verde, die um die Mittagszeit durch den aufkommenden Wind ihre Farbe von transparent in ein intensives Türkis verwandelt. Tags vorher hatte uns der Fahrer zigmal blumig erklärt, dass er – anders als alle anderen Touren – den Ablauf so gestalten würde, dass man genau das sehen würde. Nun allerdings hatten wir einen längeren Disput mit ihm darüber, ob man nun die Laguna zum oder nach dem Farbwechsel erreichen würde. Am Schluss hat er uns eingeschnappt in einem äusserst waghalsigen Ritt über die Rüttelpiste gejagt, um das für „mediodia“ angekündigte Spektakel dann doch noch sehen zu können. Dabei ist mir der immer noch aus Sucre verdorbene Magen fast geplatzt. Leider war der Wind an dem Tag so stark, dass der Farbwechsel bereits vollzogen war, als wir Punkt zwölf ankamen. So lange hält man es auf 4.500müNN und mit steifer Brise dann auch nicht dort aus. Nach dem Pflichtfoto und einer Portion von der Köchin aufgewärmten aber sofort wieder kalten Nudeln sind wir aufgebrochen zu ein paar Geysiren mit blubbernden Schwefelquellen, um dann zur rötlichen Laguna colorada weiter zu fahren, an der auch unser nächstes refugio sein sollte. An der Laguna hatten wir dann ganze 10 Minuten, denn der Fahrer wurde nervös, da er Angst hatte, dass wir keinen Platz mehr in der Herberge bekämen.
So war dieser Ausflugstag bereits um 4 Uhr nachmittags beendet, und der Fahrer konnte uns leider auch nicht mehr zurück fahren zur Laguna, da er hier - mitten in der Wüste – erstmal das Auto waschen musste. Nebenbei gesagt, für Duschen war kein Wasser vorhanden.
Die Herberge ist unglaublich ranzig – was angesichts der Abgeschiedenheit noch zu verkraften wäre, wenn hier nicht täglich Hunderte von zahlenden Touris eintreffen würden.
Der letzte Tag unserer Tour brachte uns zunächst zu winderodierten Felsen in der Sandwüste, einer davon in Form eines Baumes, dem arbol de piedra. In dem flachen Morgenlicht war das eine sehr schöne Szenerie. Teilweise liegen die Felsen so vereinzelt in den unendlichen Sanddünen, dass sie wie die surrealen Landschaftsbilder von Dali erscheinen.

Ganz und gar real waren dann die zwei Reifenpannen, die wir innerhalb einer halben Stunde hatten. Mit nur einem Ersatzreifen ist das dann nicht so einfach, aber hier in der Einöde dauert es nicht lange, bis der nächste Jeep vorbeikommt, der einem einen Reifen ausleihen kann...


Entlang einiger weiterer Altiplano-Lagunen, an denen trotz Schwefelschlamm und Boraxkruste viele Flamingos leben, sind wir zurück nach Uyuni gefahren, um fluchtartig den letzten Bus zurück nach Potosi zu erwischen. Dort konnten wir uns um zwei Uhr achts auf Hostalsuche begeben, beim vierten Anlauf haben wir dann auch eine extrem überteuerte Bleibe gefunden. Mann, wie geniessen wir nun wieder im Büssli zu sitzen und selber darüber entscheiden zu können, wann es wohin geht. Letztlich empfanden wir die Lagunentour als total überschätzt, wenn man vorher bereits in Chile die viel einfacher zu erreichenden Salare und Geysire gesehen hat.  
Wir sind nun in der spektakulären Stadt La Paz im Hotel Oberland, einem von Schweizern geführten Hotel, dessen Hof DER Anlaufpunkt für Autoreisende ist. Die Anreise hierher war ein weiteres Abenteuer. Von der auf ca. 4000müNN gelegenen Hochebene Altiplano kommend fährt man zunächst nach El Alto mit der Königskordillere im Hintergrund. Dann geht es plötzlich unvermittelt abwärts in die Schlucht des Rio Orkojahuira, in der La Paz geschützt vor den Hochlandwinden einst gegründet worden war. Wir kamen in der Dämmerung an, und La Paz lag glitzernd über 1000m unter uns – wie beim Landeanflug mit dem Flugzeug. Wie in Bolivien üblich ohne jegliche Beschilderung suchten wir den Weg nach unten in den Talkessel und fanden ihn entlang einer der steilen Rampen, die die Bremsen zum Glühen bringen. Auf dem Hof des Oberland im Dunkeln endlich angekommen, erwarteten uns Toni und Jan aus Hannover mit ihrem Landy, die wir ja bereits aus Punta Arenas kannten, und mit denen wir unsere Autos nach Deutschland zurückverschiffen werden. Herrlich, nach dieser Odyssee mit den zwei Lieben uns ein bisschen zu erholen und die Erfahrungen auszutauschen. Wir erholen uns bei gemütlichem Sightseeing über die Märkte der Stadt, auch wenn wir erstmal die bei der Tour unvermeidlich eingefangene Erkältung auskurieren müssen, und brechen bald auf Richtung Titicacasee.