Mittwoch, 17. März 2010

Am Titicacasee



Von La Paz aus wollten wir nach Copacabana am Titicacasee, dem Namensgeber für den Strand in Rio. Dafür muss man lediglich die richtige Ausfahrt aus El Alto erwischen, der mittlerweile von La Paz unabhängigen Stadt am oberen Rand des Talkessels. Kein Schild, totale Verstopfung mit Minibussen und ein Stadtfest mit Schnapsleichen auf der Ausfallstrasse. Kreuzung verpasst, und schon standen wir vor der Mautstelle, ab der man nonstop wieder 1000 Höhenmeter talabwärts nach La Paz runterbremsen kann. Marke zahnloser verhandlungsresistenter Polizist hat ein Wenden verhindert, und schon durften wir statt aus dem Moloch raus wieder mitten rein fahren. Das war der Tropfen, der uns das bolivianische Fass zum Überlaufen brachte. Runter, wenden, wieder rauf, dem Polizisten bei Vollgas das Ohr vollgeschrien und ab dafür, natürlich nicht ohne ein paar Kilometer weiter zum Abschied von einem auf der Strasse Torkelnden als Hurensöhne betitelt zu werden. 

Im Dunkeln in einem wackeligen Ponton haben wir dann zum nächtlichen Abzocketarif die Engstelle am Titicacasee passiert. Nach läppischen sechs Stunden hatten wir dann die Strecke von kaum mehr als 100km nach Copacabana geschafft. Dort kann man sich im sehr schönen Hostal La Cupula prima in den Hof stellen, man muss nur die total erodierte steile Strasse queren können, um dahin zu kommen. Die Regenzeit hat hier ihre Spuren hinterlassen.
Der Ort hat allerdings, wie man auf dem Bild sieht, mit dem berühmten Namenserben in Brasilien nun überhaupt nichts zu tun, so dass es uns nicht schwer fiel, am nächsten Tag zur nahen Grenze nach Peru zu fahren. Bisher war das Problem ja nicht die Ausreise aus den jeweiligen Ländern, sondern die Einreise. Klar, dass Bolivien hier die Ausnahme ist und uns ein abermals zahnloser Grenzpolizist in höchst unverständlichen Tönen versucht hat, Steine in den Weg zu legen. Zusammen mit seinem Kollegen vom Zoll wollten sie uns noch als Journalisten bezichtigen, weil wir ja Laptop und Kamera dabei haben. Und weil er unsere Daten handschriftlich in seine Kladde eintragen musste, wollte er dann noch fünf Bolivianos von uns haben, schliesslich sei seine Kladde voll, und er müsste bald eine neue kaufen. Abermals ist mir die Hutschnur geplatzt, und wir haben ihn so lange gelöchert, wo denn das bitte steht, dass man bei Ausreise noch Gebühren bezahlen soll. Und gar nicht glauben konnte er dann, dass wir auch bei seinem Kollegen vom Zoll nichts bezahlen mussten. Rat an alle Reisenden: an Grenzen und Mautstellen sind wir häufig von Polizisten aufgefordert worden, was zu bezahlen – reine Bestechungsversuche, niemals darauf einlassen!
Sorry für die abermalige Ausführlichkeit – reine Psychohygiene.
Fazit zu Bolivien:
Dieses sehr arme Land ist in seiner Geschichte immer auf der Verliererseite gewesen. Erst wurde es von den Spaniern ausgebeutet, und dann hat es alle angezettelten Kriege mit den Nachbarn Chile und Paraguay verloren, so dass ein grosser Teil des Territoriums verloren ging und zusätzlich der Zugang zum Meer. Ziemlich isoliert und von aussen fast bemitleidet liegt es nun eingeschnappt und frustriert in der Mitte von Südamerika. Leider hat es keine Regierung bisher geschafft, dem Volk Selbstbewusstsein einzuhauchen und Bildung und Kultur zu verinnerlichen. Stattdessen haben viele (weisse) Präsidenten ordentlich in die eigene Tasche gewirtschaftet, so dass die Korruption allenthalben nicht verwundert.  Vielleicht ändert sich das nun mit dem erstmals indigenen Präsidenten Evo Morales, der den Indigenen viel zugesteht, dabei sollte er allerdings den Graben zwischen den Weissen und Indigenen, bzw. dem Tief- und dem Hochland nicht noch tiefer werden lassen.
Dass wir ein armes Land bereisen würden, dass bei einer hohen Analphabetenrate nicht sehr gebildet ist, darauf waren wir vorbereitet. Dass aber gerade wir, die wir Geld hierher bringen und Interesse am Land zeigen, so unwillkommen sind, hat uns negativ überrascht. Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen keine Allgemeingültigkeit haben, und andere Reisende aus diesem Land positive Erinnerungen mitnehmen.
Ein paar Meter weiter an der peruanischen Grenzkontrolle wurde es dann schon fast lustig: Ein kleiner indigener Adjutant warnt uns schnell vor seinem grossen Chef Luis, wir sollten auf keinen Fall erwähnen, dass wir nochkeinekfzversicherungfürperuhaben, und auch auf gar keinen Fall sollte ans Licht kommen, dasswirnichteigentümerdesautos, sondernnurautorisiertsind (seit dem Journalistenvorwurf leide ich unter Verfolgungswahn, daher die übersetzungsresistente Verklausulierung). Andernfalls hätten wir hier nicht einreisen können. Die Konsequenz wollten wir uns erst gar nicht ausmalen, und so hat er uns still und leise alle Papiere erledigt, während Luis uns von den Vorzügen Deutschlands erzählte und  sich noch ein Erinnerungsfoto mit uns machen liess.

Nun sind wir in Puno auf der peruanischen Seite des Titicacasees, empfehlenswerter Stellplatz: beim Hotel Sonesta Posada del Inca, etwas ausserhalb, direkt am See beim Museumsschiff.  Heute haben wir uns noch die schwimmenden Inseln angeschaut, auf denen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch die letzten Uros gelebt haben. Mittlerweile besucht man hier ein Freilichtmuseum, in dem aber die Bräuche und Traditionen aufrechterhalten werden, darunter die handwerklichen Fähigkeiten, aus dem hier wachsenden Schilf totora alles herstellen zu können, von der schwimmenden Insel über Boote bis zu allen Alltagsgegenständen. Die Nachfahren der Uros leben nun vom Tourismus und ein wenig vom Fischfang im See.

In dem Bootsausflug war auch ein Abstecher zur Insel Tikali enthalten. Hier kann man noch sehr eindrucksvoll die mühsame und kleinteilige Bewirtschaftung der aufwändig terrassierten Berghänge anschauen.

Insgesamt haben wir bisher den Eindruck, dass Peru zwar auch ein sehr armes Land ist, aber die Einwohner sehr viel aufgeschlossener uns gegenüber sind. Der Tourismus ist hier mit den berühmten Sehenswürdigkeiten von Machu Picchu, Cusco und Nazca sicher weiter entwickelt.  Wir sehen auch mal lachende Menschen auf der Strasse und werden freundlich zurück gegrüsst, beides hatten wir in den zwei Wochen Bolivien vorher nie erlebt.
Morgen geht es weiter nach Cusco, wir hoffen, dass die schlimmen Unwetter von El niño, die dort gewütet haben, nun vorbei sind.

2 Kommentare:

  1. ein sehr unterhaltsamer blog! :-) und beim nächsten mal schöne grüsse an Freddy Krüger-Luis - geiles foto!

    ich drück Euch die daumen, dass die wege zum Macchu Picchu wieder nutzbar sind, mit den höhenmetern habt Ihr ja inzwischen erfahrung.

    ¡Cuídate!
    Carolina.

    AntwortenLöschen
  2. Ihr Lieben, heute ist vom Schweizer Migrationsamt die Einwilligung gekommen, dass ihr etwas länger als 6 Monate der Schweiz ohne Verlust des C-Ausweises fern bleiben dürft. Für diese Amtshandlung dürft ihr den Schweizer Raubrittern sage und schreibe 130 Franken löhnen.
    Wenn ich mir vorstelle, wie viele Zähne und noch viel mehr Kladden ihr dafür dem Grenzpolizisten hättet sponsern können ...

    AntwortenLöschen