Ahh, endlich Sommer. Dafür sind wir dieses Jahr endlich mal wieder nach Andalusien gefahren, um das Ausbleiben des Sommers 2011 im Norden auszubügeln. Im Süden Spaniens ist es im September noch so heiss, dass die hochkonzentrierte Dosis Sonne in 14 Tagen den aufgebauten Mangel auszugleichen vermag.
Die ersten Tage waren wir in Sevilla und haben die Gastfreundschaft von Maria José und Julio in ihrem Haus in Almensilla bei Sevilla genossen. Vielen Dank noch einmal von hier aus dafür! Es war das erste Mal, dass Angela sich mit den Freunden in Sevilla auf Spanisch richtig unterhalten konnte. Wir haben es sehr genossen, wieder auf diese Weise zu kommunizieren. Und so ein Pool im Garten ist doch sehr lohnenswert in dieser Klimazone.
Einen Abend haben wir uns mit Carlos und Inma getroffen und zusammen das neue architektonische Highlight der Altstadt aufgesucht: Der viel diskutierte und lange Zeit gebaute Metropol Parasol (Parasol=Sonnenschirm) auf der Plaza de la Encarnacion von Jürgen Mayer H ist endlich fertig. Dieses Ding ist halb Skulptur und halb Haus, einerseits Platzüberdachung, Markthalle und Schutz für die Ausgrabungen der römischen Funde im Untergrund und andererseits eine herrliche Aussichtsplattform über die Dächer und engen Gassen der Altstadt. Für den Sevillaner ist der Blick von oben sicher eine völlig neue Perspektive, schliesslich wurden wir damals für die Nutzung der Dachterrasse unserer Wohnung im Stadtviertel Triana als Sonnen- und Aussichtsdeck von den Einheimischen ziemlich belächelt – tststs, da hängt man doch höchstens die Wäsche auf!
Sevilla hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Eine U-Bahn führt von der Peripherie der Dörfer um den Hausberg Aljarafe direkt in die Stadt, welche durch zahlreiche neue Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Plätze ruhiger und irgendwie europäischer geworden ist. Rund um die ehemals ziemlich versiffte Alameda ist der Prozess der „Gentrifikation“ deutlich zu spüren – sicher mitausgelöst durch die Aufwertung durch den Parasol nebenan. Man muss sein Portemonnaie nicht mehr festhalten, und es gibt sogar einen Spielplatz hier – fast wähnt man sich im Prenzelberg.
Wie immer ist der prozessionshafte Gang durch die -inzwischen rauchfreien- Tapa-Bars von Sevilla ein echter Knüller: zum Beispiel im „Las Columnas“ die Ensaladilla rusa probieren, im „Caracoles“ das Solomillo und die Pimientos. Unverzichtbar aber auch der frittierte Fisch von unserem damaligen Vermieter Manolo (Freiduria an der Ecke c/Pelay Correa und c/Rodrigo de Triana), den wir an der Flussmauer der Calle Betis zusammen mit Raquel und ihrer Familie genossen haben.
Ohne Sight-Seeing-Stress haben wir uns nach Jahren erneut den Alcazar angeschaut. Im Vergleich zu der Architektur und der Formensprache, die wir inzwischen in Istanbul gesehen haben, sind die Gebäude und ihre Ornamente aus der maurischen Zeit wirklich beeindruckend. Der zentrale Innenhof des Mudejar-Palastes hat sich in den letzten Jahren auch verändert und wirkt durch seinen abgesenkten Garten noch vollkommener.
Nach fünf Tagen Sevilla sind wir dann nach Tarifa aufgebrochen. Hier war vor allem Faulenzen auf der Terrasse unseres schönen Appartments mitten in der Altstadt angesagt. Die Krimis waren schnell durchgelesen. Durch Zufall haben wir hier in Tarifa die Zeit der Feria erwischt und konnten von der Dachterrasse aus die Flamencas, die Caballeros mit ihren Pferden und die Prozession der Virgen aus beobachten.
Ein paar Mal sind wir auch an den Strand von Tarifa gegangen bzw. an die Strände von Bolonia oder an die Punta Paloma (Düne frisst Wald) in der Umgebung gefahren und haben uns den Wind (ziemlicher Levante!) um die Nase wehen lassen. Es ist beeindruckend, wie schnell die Surfer über die Wellen reiten, die Wellen sich am Ufer brechen und die Dünen durch den Wind geformt werden.
Es wird wohl für einige Zeit das letzte Mal sein, dass wir hier Urlaub machen, denn der Wind, welcher selbst die Strandmuschel „Typ Sylt“ in ihrer Standfestigkeit innert kürzester Zeit platt machen kann, ist für Kids wohl nichts (trotzdem Dank an Björn, der die Muschel bei Maria José und Julio hatte liegen lassen, sie ist jetzt wieder zur Abholung in D).
Einmal haben wir uns auch zu einem kulturellen Ausflug hinreissen lassen und haben den Skulpturenpark NMAC zwischen Tarifa und Vejer angeschaut (leider bisher nicht ausgeschildert, bei km42 auf der N-340, Einfahrt Golfclub). Hier wurden Künstler eingeladen, Skulpturen in die Landschaft zwischen Pinien, Hitze und Staub zu stellen. Maurizio Catellan muss natürlich die Ausnahme bilden und stellt sein Werk – möglichst unauffällig – ausserhalb des Parks an die Strasse zum Golfclub.
Das Highlight ist ein Werk von James Turrell: in einen Hügel ist ein quadratischer Hof eingegraben, in dessen Mitte in einem Wasserbecken ein massives riesiges schwarzes Ei steht. Betritt man das Ei, löst es sich im Inneren durch seinen nicht vorhandenen Massstab und das durch die obere Öffnung eintretende diffuse schattenfreie Licht völlig auf. Eine tolle Erfahrung. Bei dem Schattenwurf auf den schwarzen Körper musste ich irgendwie an das Fach Darstellende Geometrie aus dem ersten Semester denken, ich bin wirklich froh, dass der Professor damals nicht diese Figur gekannt hat.
Danach gab es leckeres Essen auf der Plaza España in Vejer de la Frontera. Wirklich ein kulinarischer (Taberna Garimba Sur: die Chipirones sind Weltklasse!) und visueller Genuss, denn der Ort, der zu den berühmten weissen Dörfern zählt, hat sich in den letzten Jahren ordentlich herausgeputzt.
Bis zum nächsten Mal, schönes Andalusien!